Grundstückswertermittlung bei zeitnahem Verkauf

Liegen keine vom Gutachterausschuss ermittelten Vergleichspreise vor, kann sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben.
Entscheidung: BFH, Urteil vom 24. August 2022, II R 14/20

Grundstückswertermittlung bei zeitnahem Verkauf

Orientierungssatz: Liegen keine vom Gutachterausschuss ermittelten Vergleichspreise vor, kann sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben.

 

Entscheidung: BFH, Urteil vom 24. August 2022, II R 14/20

  1. Sachverhalt

Die Beteiligten stritten um die Bewertung eines Grundstücks zum Zwecke der Schenkungsteuer.

Mit Vertrag vom 27. März 2017 schenkte der Kläger und Revisionskläger (der Kläger) seiner Tochter, die Beigeladene, einen Betrag in Höhe von € 920.000 zzgl. anfallender Nebenkosten für den Erwerb eines Grundstücks X. Im selben Monat der Schenkung erwarb die Tochter das entsprechende Grundstück X zu einem Kaufpreis von € 920.000.

Aufgrund der vertraglich vereinbarten Übernahme der Schenkungsteuer des Klägers, gab dieser eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (dem Finanzamt (FA)) ab. In dieser Erklärung bewertete der Kläger den Grundbesitz mit einem Wert von € 518.403. Diesen Wert ermittelte der Kläger anhand des Sachwertverfahrens. Das FA entsprach diesem Wert nicht und setzte den Grundbesitzwert auf € 920.000 fest, dass das FA mittels des Vergleichswertverfahrens ermittelte.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte zur Begründung aus, dass der Wortlaut des Vergleichswertverfahrens nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG nicht die Mehrheit von Grundstücken verlange. Vielmehr versteht der Senat den Begriff der „Grundstücken“ als einen Oberbegriff.

Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung von § 182 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 1 BewG geltend. Die Bewertung nach dem Vergleichswertverfahren sei nicht zulässig, da eine ausreichende Anzahl von Verkaufspreisen für Vergleichsgrundstücke vorliegen müsse.

  1. Entscheidungsgründe

Der Senat folgt der Ansicht der Vorinstanz und wies die Revision als unbegründet zurück. Der Beklagte durfte den Grundbesitzwert im Einkommensteuerbescheid so erlassen.

Zunächst führt der Senat allgemein aus, nach welchen Vorschriften sich die Bewertung des Grundbesitzes für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu richten hat. Demnach richtet sich die Bewertung des Grundbesitzes nach den §§ 159 und 176 bis 198 BewG. Ferner weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass sich die Bewertung des Grundvermögens im typisierten Verfahren vollzieht und ein Rückgriff auf den gemeinen Wert im Rahmen von § 198 BewG nur zugunsten des Steuerpflichtigen erlaubt ist.

Demnach sind vorrangig die in den §§ 179 und 182 bis 196 BewG vorgesehenen Bewertungsmethoden zu beachten, welche sich aufgrund des § 177 BewG an den gemeinen Wert zu richten haben. Somit entsprechen die Bewertungsmethoden den verfassungsgemäßen Vorgaben, wenn der gemeine Wert annähernd erreicht wird. So dann führt der Senat aus, dass die Bewertungsmethoden auch dann heranzuziehen sind, wenn ein Kaufpreis des zu bewertenden Objekts in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag vorliegt. Die Bewertungsmethoden enthalten keinen Vorrang gegenüber eines tatsächlich erzielten Kaufpreises. Er weist jedoch darauf hin, dass die Bewertungsmethoden sich am gemeinen Wert zu orientieren haben und ein zeitnaher Kaufpreis in diesem Zusammenhang von Bedeutung sei.

Die Bewertung des streitgegenständlichen Objektes richtet sich nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG dem Vergleichswertverfahren oder, wenn ein solcher Vergleichswert nicht vorhanden ist, dem nach § 182 Abs. 4 Nr.   BewG normierten Sachwertverfahren.

Im weiteren führt der Senat aus, warum das Vergleichswertverfahren in dem vorliegenden Fall anzuwenden ist. Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S. der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG). Anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke können nach § 183 Abs. 2 Satz 1 BewG von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden. Erst wenn der Gutachterausschuss keine Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren mitteilt, ist der Rückgriff auf andere Berechnungsgrundlagen und -methoden möglich.

Jedoch weist der Senat auch darauf hin, dass sich im Fall der fehlenden Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren ein Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben kann. Ein Mangel an Vergleichspreisen oder Vergleichsfaktoren führen nicht zum Ausschluss der Anwendung des § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG. Dies ergibt sich aus dem Zusatz „vorrangig“ in § 183 Abs. 1 Satz 2 BewG. Unschädlich für die Heranziehung eines Kaufpreises ist, wenn sich dieser aus der Veräußerung eines einzelnen Grundstücks ableitet. Das gilt auch dann, wenn dieses Grundstück das zu bewertende Grundstück selbst ist.

Vergleichsgrundstück in diesem Sinne kann auch das zu bewertende Grundstück selbst sein. Der Wortlaut des § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG steht dem nicht entgegen. Vorrangig soll danach der Grundbesitzwert des zu bewertenden Grundstücks zwar aus Kaufpreisen anderer Vergleichsgrundstücke oder aus Vergleichsfaktoren abgeleitet werden, doch sind solche nicht vorhanden, kann auch ein zeitnah zum Bewertungsstichtag erzielter Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück herangezogen werden. Das folgt aus der auch für § 183 BewG geltenden Orientierung am gemeinen Wert (§ 177 Abs. 1 BewG). Der zeitnah und unter fremden Dritten vereinbarte Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück bildet mangels weiterer Vergleichspreise eine ausreichende Grundlage für die Bewertung im Vergleichswertverfahren. Ein Rückgriff auf das Sachwertverfahren, der nur dann zulässig ist, wenn kein Vergleichswert vorliegt (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG), ist in diesen Fällen weder erforderlich noch geboten. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen (§ 198 Abs. 1 BewG).